Dienstag, 30. August 2022

Ukraine: Ein neuer GAW-Hilfstransport aus Württemberg

Orthopädische Hilfsgüter und Essen für Mykolajiw

Beladung in Schwieberdingen
Am 31. August startet bereits der 8. Hilfstransport nach Ukraine und ausgerechnet am 1. September wird der tonnenschwere Truck  die ukrainische Grenze passieren - 83 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs. Mit dem neuesten Hilfstransport des württembergischen GAW werden lebensnotwendige Güter und medizinisch-orthopädische Produkte in die Ukraine gebracht. Und wieder ist Krieg in Europa.

Beladen ist der 15 m lange ungarische Truck mit Orthesen, Pflegebetten, Rollstühlen und weiteren Pflegematerialien. Diese wurden von dem Göppinger Sanitätshaus Weinmann gespendet. Weiteres Ladegut besteht aus Mineralwasser, Babynahrung, Kleinmöbeln und einer großen Menge Dosenwurst aus Sachsenheim, Bietigheim und Umgebung. Die von Einzelspendern, Firmen und Einrichtungen weitgehend gespendeten Hilfsgüter haben einen Wert von mehr als 30 000 Euro. Sie werden von einem ehrenamtlichen Team aus Nussdorf und Sachsenheim unter Leitung des früheren GAW-Geschäftsführers Ulrich Hirsch organisiert und geladen.

In der Ukraine sorgt dann der in Transkarpatien tätige reformierte Pfarrer Péter Szeghljánik für den Weitertransport. Ukrainische Soldaten, die im Gebiet Mykolajiw (ukrainisch Миколаїв) in der Südost-Ukraine kämpfen, sind sehr dankbar für die Versorgung mit Lebensmitteln und medizinischen Produkten. Der Kontakt zu ihnen kam über einen jungen Familienvater zustande, der noch vor wenigen Jahren ein Konfirmand Szeghljániks war und jetzt an der Front ist.

Der 7. GAW-Hilfstransport fand Ende Juli 2022 statt. Damals konnten größere Mengen Schulartikel in die Ukraine gebracht werden, die von der Christlichen Münsterschule in Bad Doberan in Mecklenburg-Vorpommern gesammelt worden waren. Zum Abschluss eines Ferienlagers in Transkarpatien haben die teilnehmenden Kinder sich über die Geschenke zum Schulanfang am 1. September riesig gefreut.

 

Finanziert wird der neue Transport durch beträchtliche Spenden und durch Zuschüsse aus dem Ukrainefond des GAW.

Donnerstag, 25. August 2022

Wasser-Nothilfe für Syrien

Hassakeh ist durstig! Diesen Hilferuf erhielten wir aus Nordostsyrien vor vier Wochen. 

Im Jahr 2019 fing es an mit der Wasserknappheit. Damals besetzten die türkischen Truppen die einzige Wasserquelle der Stadt, um die syrische Regierung und die kurdische Verwaltung der Region unter Druck zu setzen. Seitdem fließt nur noch alle 10 Tage für ein paar Stunden Wasser aus der Leitung. Im Sommer stoppt die türkische Regierung die Wasserlieferungen nach Hassakeh komplett ab 1. Juli - für drei Monate. Und das bei Temperaturen über 40 Grad. Es ist unmenschlich. Es ist soweit: Auch in Syrien wird der Krieg gegen die Bevölkerung über das Wasser geführt.

Wasser gibt es nur teuer im Laden in Flaschen zu kaufen. Einige wenige haben eigene Brunnen, deren Wasser salzig ist und nur zum Waschen zu gebrauchen und nicht als Trinkwasser. Auch diese Leute verkaufen ihr Brunnenwasser für viel Geld. Und das bei Durchschnittslöhnen um die 40 US-Dollar. 

Die GAW-Frauenarbeit konnte aus den Mitteln des Jahresprojektes 2021 5.000 Euro Soforthilfe leisten. Damit will Pfarrerin Mathilde Sabbagh drei Monate lang 20 arme Familien mit Trinkwasser versorgen. Das ist ein großer Segen. 

Gestern nun kam die erste Lieferung von Wasserflaschen in der Gemeinde an. Mit dem Auto fuhren Pfarrerin Sabbagh und Helfer aus der Gemeinde Wasser zu gebrechlichen und kranken Personen, die es nicht abholen konnten.

Mittwoch, 24. August 2022

Sechs Monate Krieg in der Ukraine und kein Ende abzusehen ...

Pfarrkonvent der reformierten Kirche in der Ukraine
Sechs Monate dauert der Krieg in der Ukraine bereits. Wie viele Opfer er inzwischen hervorgebracht hat, ist unklar. Es sind auf jeden Fall zu viele. Laut UNHCR haben bis heute 6,6 Millionen Menschen das Land verlassen und sind im Ausland registriert. Der Großteil sind Frauen und Kinder. Noch einmal 6,6 Millionen Menschen sind innerhalb der Ukraine auf der Flucht. 

Dieser Krieg hat Gewissheiten ins Wanken gebracht und hat weltpolitische Auswirkungen, über die sogar GAW-Partnerkirchen aus Lateinamerika berichten. 

Die GAW-Partnerkirchen in den Nachbarländern der Ukraine leisten sehr viel, um den geflohenen Menschen zur Seite zu stehen. Fast 450.000 € sind vom GAW inzwischen dank vieler Spender und Spenderinnen in Projekte in der Ukraine und in den Nachbarländern geflossen. 

Derzeit unterstützen wir ein Projekt der Diakonie der evangelischen Kirche in Slowenien, damit orthopädisches Material an ein Krankenhaus in Ushgorod/Ukraine geliefert werden kann. In Oradea in Rumänien unterstützen wir die Unterbringung von Flüchtlingsfamilien.

Dieser Krieg fordert unsere reformierte und ebenso die lutherische Partnerkirche innerhalb der Ukraine enorm heraus. Viele Mitglieder haben sie verloren. Die Reformierte Kirche in der Ukraine bittet nun um Hilfe bei der Beschaffung eines größeren Traktors. Viele Arbeitskräfte fehlen, weil sie im Krieg sind oder geflohen. Mit einer größeren Maschine können die Felder mit weniger Personal bewirtschaftet werden.

Die reformierte Kirche ist nach wie vor eine stabilisierende Institution in der Region. Menschen in den Gemeinden leisten sehr viel, um Flüchtlinge aufzunehmen, für sie da zu sein, Trost und Ermutigung zu geben. Einige Pastoren wurden inzwischen aufgefordert, der Armee beizutreten. Nur mit entsprechenden Papieren werden sie freigestellt.
Problematisch ist die Situation der reformierten ungarischen Schulen. Am 1. September beginnt die Schule. In der dritten Klasse ihrer Tochter, erzählt die Sekretärin des Bischofs, werden von ehemals 30 Kindern nur noch 15 anwesend sein. Inzwischen haben die reformierten Schulen die vom Staat geforderten Schutzbunker
nachweisen können - dank einer Kooperation mit staatlichen Schulen. Sonst dürften sie gar nicht öffnen.

An diesem Mittwoch, dem 24. August, begeht die Ukraine den 31. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit. Die Feierlichkeiten sind wegen möglicher Raketenangriffe abgesagt. Wie lange wird dieser Irrsinn dauern? Welche Auswirkungen wird der Krieg langfristig haben? Klar ist: Selbst wenn die Waffen schweigen, wird dieser Krieg nicht zu Ende sein.

Fürbitte für die Menschen in der Ukraine

Foto: Pixabay

Menschen in der Ukraine,
Menschen verschiedener Muttersprachen,
und diejenigen, die das Land verlassen haben
in Sorge um das Leben ihrer Kinder:

Unsere Herzen sind mit euch,
auch wenn die meisten Menschen in Deutschland
sich nur ansatzweise vorstellen können,
was ein Alltag in einem Krieg bedeutet,
der seit acht Jahren
und nochmal seit einem halben Jahr andauert.
Unsere Herzen sind mit euch, unsere Gebete,
auch unsere Gedanken und unsere Werke.
Obwohl wir uns manchmal schämen, dass es zu wenig ist,
was wir tun. 

Gott, sei mit den Menschen in der Ukraine,
die ihre Heimat verteidigen und befreien wollen.
Bewahre ihren Mut und gib ihnen die Zuversicht und Hoffnung,
die dafür nötig sind.
Gib ihnen Kraft, um ihren Alltag zu bestehen,
in ihrer Angst vor Angriffen und in all der materiellen Not,
lass die Kinder Freude spüren, trotz allem.
Sei mit den Menschen, die geflohen sind,
die jeden Tag Tränen vergießen,
aus Sehnsucht nach ihrer Heimat,
Menschen, die neu anfangen müssen,
im Alter noch einmal auf die Schulbank müssen,
um eine neue Sprache zu lernen.
Gib ihnen Menschen an die Seite,
die ihnen ein Gefühl von Zuhause geben.
Tröste die Familien, die auseinandergerissen wurden
und lass sie die Verbindung untereinander aufrechterhalten.

Gott, lass uns die Menschen in der Ukraine nicht vergessen und ihnen zu Seite stehen,
auch in den kommenden Monaten, die vielleicht Jahre sind.
Gott hilf uns, den langen, beschwerlichen Weg zu gehen,
an dessen Ende der gerechte Frieden steht.

Gott, erhöre uns!

(Am 24. August 2022, dem Unabhängigkeitstag der Ukraine) 

Foto: Nikita Zhadan

Das GAW unterstützt die Partnerkirchen in der Ukraine sowie in den Ländern, die Geflüchtete aufgenommen haben, damit sie den Menschen besser helfen können. Insgesamt haben wir aktuell 433.618 Euro Unterstützung weitergegeben. Genauere Informationen: https://www.gustav-adolf-werk.de/ukraine-hilfe-krieg.html


Freitag, 19. August 2022

Italien: Bienenvolk im Kirchturm von Triest

Foto: Pixabay
"Denn die Biene ist klein unter allem, was Flügel hat, und bringt doch die allersüßeste Frucht” (Sirach 11,3)

"Insieme/Miteinander", die Zeitschrift der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Italien, hat ihre neueste Ausgabe den Insekten gewidmet. Da darf natürlich ein Beitrag über die Bienen nicht fehlen!

 Selina Heinz Smillovich schreibt in ihrem Text "Triestiner Bienen", dass die Gemeinde in Trieste/Triest bereits 2020 beschlossen hat, ihren Beitrag zum Schutz der Bienen und der Rettung der Artenvielfalt zu leisten. "Das Projekt begann 2020 mit zwei Bienenstöcken auf einem privaten Grundstück außerhalb der Stadt, um welche sich die Gemeinde kümmert. 2021 ist außerdem ein Bienenvolk in den Kirchturm der Kirche, mitten in der Stadt, eingezogen und hat sich dort gut eingelebt. Das Projekt unserer Gemeinde wird von einem professionellen Imker unterstützt und gefördert. Bis Ende 2021 hatten die Bienenvölker ungefähr 10 Kilo Honig produziert, ein großer Erfolg!"
Übrigens: Das GAW hat 2012 die Sanierung der Kirche in Triest unterstützt und somit einen klitzekleinen Anteil daran, dass die Bienen sich jetzt im Kirchturm wohlfühlen können.

Selina Heinz-Smillovich ist die Referentin des Umwelt-Netzwerks der Gemeinde Triest und betreut auch das Projekt „Die Bedeutung der Bestäuberinsekten für die Klimagerechtigkeit“ von Jugendlichen und jungen Menschen in drei italienischen Städten Triest, Neapel, Verona-Gardone.

Mehr über Insekten in der Bibel, Gottesanbeterinnen, Bienen, Mücken u.a. in: https://chiesaluterana.it/de/miteinander-insieme-4-2022-2/


Dienstag, 16. August 2022

Der Ukrainekrieg und Auswirkungen in Chile

Aus der lutherischen Gemeinde in Concepción in Chile berichtet Annegret Hoffmann über die Wahrnehmung des Ukrainekrieges im Land, die aktuelle Situation und die Preissteigerungen: 

"Chile ist in einer angespannten politischen Situation. In wenigen Wochen wird über eine neu ausgearbeitete Verfassung abgestimmt. Der ganze Vorbereitungsprozess zuvor hat die Gesellschaft weiter polarisiert. Andere Themen konnte man kaum wahrnehmen - höchstens noch die Terroranschläge im Süden des Landes und zunehmende soziale Spannungen auch im Norden des Landes. Dadurch rückte der Krieg in der Ukraine aus dem Blick. Zwar wird in Zeitungen und in den Fernsehnachrichten über die Situation in Europa berichtet, aber nur in geringem Maße.

In Chile ist die Inflation stark gestiegen, und zwar um 13%
im letzten Jahr. Früher waren pro Jahr 2-5 % üblich. Diese Preissteigerungen werden von äußeren, aber auch von inneren Faktoren bestimmt. Vieles ist viel teurer geworden, z.B. ist der Benzinpreis um 70 % gestiegen. Besorgniserregend ist der Anstieg der Lebensmittelpreise. Der Weizenpreis könnte noch weiter steigen. Das hängt mit dem Weltmarktpreis zusammen - und damit indirekt mit dem Krieg in der Ukraine. 

Über Geflüchtete aus der Ukraine ist in Chile wenig bekannt. Es sind bisher
14 Familien aus der Ukraine mit chilenischen Wurzeln aufgenommen worden. Sie haben hier aber sehr große bürokratische Schwierigkeiten und wohnen bei anderen Familien. Im Vergleich zu dieser geringen Zahl sind in Chile extrem viele Geflüchtete aus Venezuela und Kolumbien angekommen.

In der lutherischen Gemeinde in Concepción beten wir in den Gottesdiensten für die Menschen, die unter diesem schrecklichen Krieg leiden. Vor wenigen Tagen ist ein Gemeindeglied gestorben, der in der Ukraine geboren war, während des Zweiten Weltkrieges mit seiner Familie aus einem „deutschen evangelisch-lutherischen“ Dorf vor den Russen nach Deutschland geflüchtet und in den 1950er Jahren nach Chile migriert ist. Seine Tochter erzählte darüber. Ansonsten gibt es keine direkten Berührungspunkte mit den Menschen aus der Ukraine."

Donnerstag, 11. August 2022

Friedensethik in der Bewährung

"Was sagt das GAW zum Ukrainekrieg?" - diese Frage habe ich öfter seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine am 24. Februar diesen Jahres gehört. Dahinter stehen viele Fragen: Wie helfen wir den Menschen, die unter dem Krieg leiden? Wie unterstützen wir sie? Wie stehen wir zum Krieg? Zu Waffenlieferungen? Wie können Konflikte gelöst werden? Und - wie lernen wir, in Frieden miteinander zu leben? Wie geht das...?

Alle Kirchen haben dazu etwas geschrieben. Sie müssen sich dazu verhalten, denn Jesus sagt in der Bergpredigt: "Selig sind die Frieden stiften!"

Am 18. März 2022 äußerte sich auch der Rat der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) in Straßburg zum Krieg in der Ukraine. In der Kurzfassung heißt es dazu: 

"Der Krieg, den die Russische Föderation seit 2014 gegen die Ukraine führt, hat mit den russischen Angriffen seit 24. Februar 2022 eine neue Phase erreicht. Als GEKE stehen wir an der Seite aller Menschen, die in der Ukraine unerträgliche Not leiden. Wir tun dies auf dreifache Weise: Wir beten, wir erheben unsere Stimmen, und wir helfen. Gemeinsam beten und klagen wir und befehlen die Menschen der Ukraine dem Gott des Friedens und der Gerechtigkeit an. Im Gebet können wir dem Entsetzen und der Furcht Ausdruck verleihen, die wir empfinden, wenn unser Kontinent erneut durch einen Krieg zerrissen wird. Wir erheben unsere Stimmen und verurteilen den Bruch des Völkerrechts durch den russischen Präsidenten Putin. Wir sind solidarisch mit allen Schwestern und Brüdern, die für den Frieden und die Versöhnung arbeiten. Wir helfen, indem wir im Rahmen unserer Möglichkeiten alle Leidtragenden finanziell, materiell und logistisch unterstützen und ihnen bei der Integration in ihren neuen Gemeinschaften helfen. Als Kirchengemeinden und Einzelpersonen bieten wir denjenigen, die vor den Gräueltaten des Krieges fliehen, unsere Gastfreundschaft an." 

Der gesamte Text findet sich unter folgendem Link: https://www.leuenberg.eu/cpce-statement-on-the-war-on-ukraine/

Im Nachklang zu dieser GEKE-Stellungnahme zum Ukrainekrieg hat das "Zentrum Glaube und Gesellschaft" der Uni Fribourg/Schweiz beschlossen, eine Videopodcast-Serie zum Thema „Krieg und Frieden“ zu produzieren. Er wird moderiert von der Studienleiterin Dr. Christine Schliesser. Dabei geht es darum, verschiedene Stimmen aus der christlichen Friedensethik (u.a. Ulrich Körtner und Meego Remmel) im Blick auf den Krieg in der Ukraine und darüber hinaus zu Wort kommen zu lassen und auch alternative Sichtweisen (z.B. im Blick auf Waffenlieferungen, etc.) einzubinden.

Dazu gibt es einen kurzen Trailer (40 Sek.): https://www.youtube.com/watch?v=nssJOW0PHFk

Die erste Episode unter dem Titel „War der Pazifismus eine naive Idee?“ findet sich unter diesem Link: https://www.youtube.com/watch?v=-kbeNI_m2lY

Aktuelle kirchliche Äußerungen zu friedensethischen Fragen finden sich hier: https://www.ekd.de/ukraine-stellungnahmen-kirche-72267.htm

Mittwoch, 10. August 2022

"Wenn Europa oder die USA niesen, erkältet sich Lateinamerika" - Auswirkungen des Krieges aus Venezuela

Ein lateinamerikanisches Sprichwort sagt: "Wenn Europa oder die USA niesen, erkältet sich Lateinamerika." So war es schon immer. Und das spürt man derzeit auch auf dem lateinamerikanischen Kontinent. In Venezuela scheint der Krieg sowohl positive als negative Folgen zu haben.

Venezuela leidet seit Jahren unter einer schlimmen Krise. "Im Moment versucht die Regierung mit Kürzungen und Steuererhöhungen, die Hyperinflation in den Griff zu bekommen. Das gelingt ihr durchaus, aber die Maßnahmen treffen die sowieso schon armen Menschen hart. Auch Acción Ecuménica (AE), das ökumenische Sozial- und Medizinzentrum in Caracas, kämpft mit den Folgen: Durch die gestiegenen Steuern sind Untersuchungen und Medikamente teurer geworden. Der Staat kontrolliert unsere Arbeit stärker und hat darüberhinaus die Löhne für medizinisches Personal gesenkt", schreibt César Henriquez, Leiter von AE. "All dies ist demotivierend. Unsere Lebensqualität ist gesunken und die soziale Ungleichheit hat zugenommen, auch wenn sich die Wirtschaft erholt. Die Regierung wird von einem beträchtlichen Prozentsatz der Bürger abgelehnt. Die US-Sanktionen dienen ihr als Vorwand, um ihre eigene Ineffizienz zu verbergen."

Wie sich der Krieg genau in dieser Situation auswirken wird, ist laut César Henriquez noch unklar. "Aber ich bin davon überzeugt, dass wir zumindest indirekt davon betroffen sind. In einer globalisierten Gesellschaft hat jeder Konflikt globale Auswirkungen, auch auf das Leben der einzelnen Bürger."

Die Regierung Venezuelas steht auf der Seite Putins und befürwortet den Krieg. Dazu schreibt César Henriquez: "Man dachte, dass diese Unterstützung dazu führen wird, dass die US-Regierung ihre Sanktionen gegen Venezuela verschärft. Das war aber nicht der Fall. Im Gegenteil: Im Juni kam eine außerordentliche US-Delegation nach Venezuela, um angesichts des US-Embargos gegen russisches Öl engere Beziehungen zu Venezuela und einen Zugang zu venezolanischem Rohöl zu suchen", so César Henriquez. "Es gab einige entspannende Signale. Wir haben Hoffnung, dass die Ölpreise steigen könnten und Venezuela als ölproduzierendes Land davon profitieren könnte. Hoffenlich kommt das der Not leidenden Bevölkerung zu Gute." So könnte sich der Ukrainekrieg sogar positiv auf Venezuela auswirken.

Sorge bereitet ihm allerdings der Anstieg der Preise für Düngemittel in Venezuela, die hauptsächlich in Russland, der Ukraine und Belarus produziert werden. Dadurch könnten sich die Lebensmittelpreise weiter erhöhen. Es bleibt also abzuwarten, ob die positiven oder die negativen Folgen des Ukrainekrieges für Venezuala überwiegen werden!

Dienstag, 9. August 2022

Bolivien und die Folgen des Ukrainekrieges

Auch in Bolivien spürt man die Auswirkungen des Ukrainekrieges. Pfarrer Emilio Aslla Flores schreibt:

"Boliviens Beziehungen zu Russland sind eng. Und so spüren wir die Auswirkungen des Krieges auch hier im Andenstaat. Treibstoff ist teurer und knapper geworden. In den letzten Monaten konnten wir kaum welchen finden, in den Großstäden La Paz und Santa Cruz gab es lange Warteschlangen für Diesel. Und die Auswirkungen des Krieges werden in den kommenden Monaten sicher noch stärker werden.

Bolivien erzielt gute Einnahmen aus dem Gasexport. Aber das wiegt die Ausgaben für Erdöl nicht auf. Die Preise für Weizen, Mais und Öl und damit auch für Fleisch sind gestiegen.

Nicht nur der Krieg beeinflusst die Preise in Bolivien, sondern auch der Klimawandel. Im Norden, in der Gegend zum Santa Cruz, leiden die Menschen unter einer anhaltenden Dürre. Dadurch wachsen die Winterkulturen nicht richtig; Soja, Mais, Weizen, Sorghum und Sonnenblumen mickern auf den Feldern vor sich hin. Außerdem hat der Frost in der indigen bewohnten Provinz Cordillera die Maisernte auf mindestens 1.600 Hektar Feld vernichtet.

Bolivien hat ein weiteres Problem: Es hat keinen eigenen Hafen. Alles läuft über den chilenischen Hafen Arica. Auch hier muss der Staat inzwischen steigende Nutzungsgebühren zahlen."

Montag, 8. August 2022

Klein-Ukraine in Brasilien

Insgesamt hat Brasilien rund 600.000 ukrainischstämmige Einwohner:innen, die vor allem im Süden leben. Einer dieser Orte ist Prudentopolis westlich von Curitiba im Bundesstaat Paraná. Von 53.000 Einwohnern sind drei Viertel ukrainischer Abstammung. Einige von ihnen kamen schon Ende des 19. Jahrhunderts aus Galizien nach Brasilien. Andere flüchteten im Zweiten Weltkrieg nach Brasilien. Seit dem Kriegsausbruch Ende Februar 2022 sind noch einmal ca. 1.000 Ukrainer:innen nach Brasilien gekommen, einige von ihnen auch nach Prudentopolis. Integration gelingt hier leichter, denn Ukrainisch ist in dem Ort die zweite offizielle Sprache.

"Auch in Esteio, südlich von São Leopoldo im Bundesstaat Rio Grande do Sul sind einige Familien aufgenommen worden. Esteio hat eine kleine ukrainische Gemeinde," schreibt Harald Malschitzky, Generalsekretär der Obra Gustavo Adolfo (OGA) in Brasilien.

Malschitzky schreibt auch etwas über die Auswirkungen des Ukrainekrieges für Brasilien:

"Die Folgen des Krieges erfahren wir täglich: Weizen, Mais, Düngemittel, Rohöl, alle Kosten steigen spürbar. Auf der anderen Seite fehlen Produkte für die Industrie wie Autoteile, elektronische Bauteile etc. Und dann stockt der Export. Darüber hinaus ist der Krieg auch eine gute Ausrede für Präsident Bolsonaro, um vom Desaster seiner Politik abzulenken. Gleichzeitig liebäugelt Bolsonaro mit Putin, denn Brasilien ist sehr abhängig von Düngemittellieferungen aus Russland."

Und Malschitzky schreibt auch zur Lage in der lutherischen Kirche (IECLB) und die Auswirkungen des Krieges auf die Gemeinden:

"Alle Gemeindeglieder sind von den steigenden Preisen betroffen. Die Einkommen der Gemeinden verringern sich. - Die Kirche hat aber weitere Probleme, die mit dem Krieg erst einmal direkt nichts zu tun haben. Es gibt Polarisierungen, die die ganze Gesellschaft betreffen. Innerhalb der IECLB gibt es zwei rechtsorientierte fundamentalistische Gruppen. Immer wenn die IECLB etwas zur sozialen Lage im Land sagt, wittern diese Gruppen einen politisch linken Einfluss. Für die Kirchenleitung ist es sehr schwer, sich damit immer wieder auseinandersetzen zu müssen, denn sie wird immer wieder angegriffen."

Montag, 1. August 2022

Der erste Kirchbau, der allein durch das GAW finanziert wurde, wird 175 Jahre alt!

Evangelische Kirche in Seligenstadt

"Vor 175 Jahren wurde unsere Kirche in Seligenstadt eingeweiht. Das ist noch nicht so lange her wie bei manch anderer Gemeinde, aber unsere Kirche ist der erste in Deutschland durch das Gustav-Adolf-Werk geförderte Kirchenbau," schreibt der Vorsitzende des Kirchenvorstandes der hessen-nassauischen Kirchgemeinde Norbert Schweitzer.

Auf der Homepage der Gemeinde heißt es: "Mit der Säkularisation im Jahre 1803 bildete sich aus Beamten des Finanzgerichts und -amtes, die aus Darmstadt übergesiedelt waren, eine kleine evangelische Gemeinde. Rasch wuchs die Zahl, sodass im Jahr 1835 bereits 112 Protestanten in Seligenstadt wohnten. In jenem Jahr wurde Seligenstadt zur selbstständigen Gemeinde ernannt - nur leider immer noch ohne eigenes Gotteshaus.
Am 19. Juni 1845 wurde auf der Hauptversammlung des „Evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung“ der Bau unserer Kirche beschlossen.
 

Die Stadt folgte dem Wunsch der evangelischen Gemeinde und hatte ihr bereits vorher, am 15. Mai 1844, ein Stück Land außerhalb der Stadtmauern („vor dem Obertore“) zugesprochen. Dieser Platz wurde aufgrund seiner besonderen Bedeutung gewählt, erhielt dort doch der evangelische Heerführer und König Gustav Adolf von Schweden im 30-jährigen Krieg (am 25. November 1631) die Schlüssel der bis dahin katholischen Stadt.


In dem Buch "Die Bauten des Gustav-Adolf-Vereins" (Darmstadt 1860) heißt es: "Der Gustav-Adolf-Verein lenkte alsbald seine Blicke auf dieses Häuflein Protestanten, und durch diese Theilnahme aufgemuntert, richtete die Gemeinde an den Hessischen Hauptverein die Bitte, ihr zur Gründung einer selbständigen Gemeinde und zur Erbauung eines eigenen Gotteshauses behülflich zu sein." Damals wurde diese Bitte überallhin verbreitet. Zahlreiche Gustav-Adolf-Vereine halfen, "so dass die Kosten des ganzen Baues, die mit Einschluß der Orgel 11.844 Taler betrugen, allein durch die Beiträge der Vereine der Gustav-Adolf-Stiftung und einigen Schenkungen gedeckt wurden, und man mit Recht sagen konnte, jeder Stein an dieser Kirche sei ein Zeugnis von der Liebe der evangelischen Brüder." 

Grundsteinlegung war am 15. Juni 1846. Am 23. September 1847 wurde die Kirche eingeweiht.

Zu den Feierlichkeiten am 25. September diesen Jahres ist das GAW eingeladen. Gut, dass es die Erinnerung an die Anfänge vor Ort gibt! Das ist ein Ausdruck der Verbundenheit und Solidarität miteinander. Diese gemeinsame Verbundenheit im evangelischen Glauben braucht es in unserer heutigen Zeit mehr denn je.